
Psychiatrie - was ist das?
Bei dem Wort "Psychiatrie" bekommen die meisten Menschen Gänsehaut und ihnen schießen tausende von Vorstellungen, Vorurteilen und Stereotypen in den Kopf.
Dabei ist eine psychiatrische Klinik nur ein Krankenhaus wie jedes andere auch, nur dass es auf psychische Erkrankungen spezialisiert ist.
Der Begriff "Psychiatrie" beschreibt die Erfahrung und die Befähigung zur Diagnostik, Behandlung und Prävention sowie Rehabilitation psychischer und psychosomatischer Erkrankungen und Störungen - speziell unter Anwendung sozio- und psychotherapeutischer Verfahren. Der Begriff ist etymologisch aus dem Griechischen für „Psyche“ (Seele) und „iatrós“ (Arzt) zusammengesetzt und bedeutet wörtlich übersetzt etwa "Seelenheilkunde.“
In einem psychiatrischen Krankenhaus werden Menschen behandelt, die eine psychische Erkrankung haben. Es gibt verschiedene Stationen, wie zum Beispiel Suchtstationen, Allgemeinpsychiatrische Stationen, Gerontopsychiatrische Stationen, Akut-Stationen, Dbt-Stationen und forensiche Stationen.
Alle Stationen gibt es als offene und als geschützte beziehungsweise Intensiv- oder Beobachtungsstationen.
Auf einer Suchtstation werden beispielsweise Alkohol-, Heroin- oder Medikamentenabhängige Menschen behandelt.
Allgemeinpsychiatrische Stationen sind spezialisiert auf allgemeinpsychiatrische Krankheitsbilder wie Depressionen, Schizophrenie oder Burn Out.
Gerontopsychiatrische Stationen kümmern sich um Senioren mit psychischen Problemen.
Akut-Stationen sind meistens geschützte (geschlossene) Stationen, wo Menschen behandelt werden, die sich oder andere Menschen gefährden könnten. Hier kommen beispielsweise auch die berühmte Fixierung oder die "Gummizelle" (Beobachtungszimmer) zum Einsatz.
Dbt-Stationen kümmern sich um Trauma-Bewältigung und Persönlichkeitsstörungen wie Borderline oder Narzissmus.
Die forensichen Stationen befassen sich mit dem Maßregelvollzug psychisch kranker Straftäter.
​
"In dem Augenblick, in dem ein Mensch den Sinn und den Wert des Lebens bezweifelt, ist er krank." Sigmund Freud
​
​
​
​
​
​
​
​
​
​
​
​
​
​
​
​
​
​
​
​
Die Vorurteile und ich
Seit ich denken kann, interessiere ich mich schon für die Medizin. Ich habe viel von meiner Mama gelernt, sie war früher examinierte Altenpflegerin, hat dann eine Fortbildung gemacht und ist momentan Pflegedienstleitung.
Ich schaute im Internet Begriffe nach, die ich nicht verstand und schaute mir jede Menge Dokus an, zum Beispiel über Rettungsdienste und Notaufnahmen, oder über verschiedene Krankheiten.
Wie schon gesagt, ich habe mich schon immer für die Medizin interessiert. Als ich dann meinen Realschulabschluss in der Tasche hatte, wollte ich mein Abitur machen. Ich hatte im Internet geschaut, auf welche Schule ich gehen könnte. Ich stieß dann auf einen Schulversuch: Zentralabitur mit fachlichem Schwerpunkt: Gesundheit und Soziales oder Erziehung. Ich entschied mich für den Schwerpunkt Gesundheit und Soziales. Hier hatte ich zum normalen Abiturstoff zusätzlich fünf Stunden Gesundheitswissenschaften und drei Stunden Psychologie. Mein erster Leistungskurs war Biologie, der zweite Gesundheitswissenschaften, mein drittes Fach war Englisch und mein viertes Psychologie.
Jedenfalls habe ich in meiner Freizeit viel recherchiert.
​
Irgendwann habe ich mir mal Dokumentationen über die Psychiatrie auf YouTube angeschaut. Dabei hat sich ein ganz negativer Eindruck in mir gefestigt.
Ich dachte, in einer psychiatrischen Klinik laufen nur Menschen rum, die nicht mehr Herr ihrer Selbst sind, die nichts mehr mitbekommen, die kriminell sind oder andere Menschen in Gefahr bringen. Ich dachte, dort sind Menschen, die mit sich selbst reden, sich selbst schlagen, ihren Kopf gegen die Wand hauen und komische Laute von sich geben, die nur schreien und nichts mehr wahrnehmen, die irre sind und nicht mehr geheilt werden können, die mit Medikamenten vollgepumpt sind und nicht mehr grade laufen können.
Als es hieß, dass ich für eine stationäre Behandlung in eine Psychiatrie gehen soll, brach für mich eine Welt zusammen. Ich hatte Angst vor den Menschen dort, ich hatte Angst auf eine geschlossene Station zu kommen, ich hatte Angst vor allem und wollte mir nicht eingestehen dass ich diese Hilfe wirklich brauche. Ich hatte Scheuklappen an, die mich die Realität nicht sehen lassen wollten. Ich habe meine Augen vor Menschen verschlossen, die so waren wie ich, ich wollte nur noch weg.
​
Im Endeffekt kann ich sagen, dass es die beste Entscheidung meines Lebens war, in die Psychiatrie zu gehen.
Die Menschen dort sind einfach krank und suchen Hilfe. Es sind Menschen wie du und ich, sie sehen normal aus und verhalten sich normal. Natürlich bekommt man auch schon mal mit, wie Menschen von einer Akut-Station so drauf sind, aber nur ganz selten. Meistens konnte man sich sogar gut mit ihnen unterhalten, wenn sie mit einer Pflegerin oder einem Pfleger im Garten waren. Sie sind einfach nur Menschen, die mit sich nicht mehr zurecht kommen, oder deren Wahrnehmung durch Krankheiten anders ist, als deine. Deswegen musst du keine Angst vor ihnen haben. Vielleicht kannst du sie ja sogar verstehen, wenn du ihnen zuhörst, ihnen Zeit gibst und dich vor allen Dingen darauf einlässt.
Ich habe neue Freunde gefunden, die mich verstehen und mit denen ich über alles reden kann. Was besseres hätte mir nicht passieren können, ehrlich!
Ich möchte dazu beitragen, dass diese negativen Vorurteile vernichtet werden. Verschließe deine Augen nicht vor diesen Menschen, du verpasst was!
​
​
"Ich würde Sie gerne aufnehmen!"

​
​
Das war einer der vielen, unendlich langen Sätze der Ärztin vom Dienst. Es war ein Samstag Nachmittag. 16.23 Uhr. Ich saß in einem Raum, dort stand eine rote Leder-Couch und eine Topfpflanze in der Ecke unter dem riesigen Fenster. Ich hörte lediglich das ticken einer Uhr, die an der Wand hing.
Ich fühlte mich hilflos und wollte am liebsten mit niemandem reden. Ich wollte eine Zigarette rauchen und weinen. Ich war ganz am Ende angekommen, ich wollte nicht mehr leben.
Ich versuchte, der Ärztin meine Situation zu erklären. Ich fand keine Worte mehr, ich war leer.
Die Ärztin fragte mich, ob ich auf eine offene oder lieber auf eine geschützte Station wollte. Ich habe mich für die offene Station entschieden.
Ich kam zuerst auf eine Sucht-Station, weil auf einer Allgemeinpsychiatrischen Station kein Bett frei war.
Als erstes wurde eine Anamnese durchgeführt, ein Alkohol- und ein Blutzuckertest gemacht und Blutdruck und Puls gemessen. Dann bezog ich ein kleines Zwei-Bett-Zimmer, es war leer. Ich hörte Musik. Ein Lied in Dauerschleife: I'll Be Good von Jaymes Young.
Ich rechnete mit den schlimmsten Heroin-abhängigen Menschen.
Um 17:30 Uhr holte mich eine Schwester zum Abendbrot ab.
Es war ein großer Aufenthaltsraum mit einer Reihe von Tischen und Stühlen, links an der Wand war ein Buffet aufgebaut. Alle Patienten der Station liefen dort herum, nahmen sich etwas zum Essen und setzten sich an die gedeckten Tische. Ein junger Mann mit blonden Haaren lächelte mich an und fragte mich, ob ich mich neben ihn setzen wollte. Ich war überrascht, dass sich alle direkt vorstellten und lächelten. Eine etwas ältere Frau saß gegenüber von mir, sie bot mir ein Taschentuch an. Ich weinte immer noch.
"Du musst etwas essen, du hast doch bestimmt noch nichts gegessen, oder?", fragte der junge Mann, neben dem ich jetzt saß. "Hier, nimm dir ruhig meinen Joghurt. Wenn du was brauchst, dann musst du nur Bescheid sagen. Ich zeig dir gleich mal alles!"
Ich war froh, dass ich nicht fragen musste und dass diese Menschen auf mich zugegangen sind.
Nach dem Essen bin ich erst mal mit ein paar Leuten eine rauchen gegangen. Es gab einen großen Garten mit Bänken und auf der anderen Seite des Gebäudes gab es ein Kiosk mit drei Bänken und Tischen.
Ich weinte immer noch. Die Frau mit dem Taschentuch sagte mir dann: "Hör mal Kind, der erste Tag ist immer der schlimmste. Morgen sieht die Welt wieder ganz anders aus. Schau doch gleich noch etwas fern mit uns und dann gehst du erstmal schlafen."
schlafen, wenn das so einfach wäre! Ich wusste nicht, wie ich einschlafen sollte.
Später dann wollte eine andere Patientin unbedingt Deutschland such den Superstar gucken. Sie fragte mich, wie ich mich fühle und auf welchem Zimmer ich war. Ich wollte nicht alleine in dem Zimmer sein, ich hatte Angst. Ich durfte dann in ein anderes Zimmer umziehen, damit ich nicht mehr alleine war.
Ich habe von der Ärztin dann eine Tablette bekommen. Zopiclon, zum schlafen. Das ging dann.
An den folgenden Tagen ging es mir wirklich besser, als samstags. Ich habe mich gut mit meinen Mitpatienten verstanden. Ein paar Tage später wurden auch andere Allgemeinpsychiatrische Fälle aufgenommen, was ich super fand. Zwei Jungs und ein Mädchen, und eine ältere Frau. Mit einem der Jungs und dem Mädchen habe ich mich sehr gut verstanden. Ich war wirklich froh, nicht mehr allein mit meinen Problemen zu sein. :)
​
Therapie hier, Therapie da
Das erste Wochenende war vorbei. Jetzt geht es los mit den Therapien! Immer noch auf der Sucht-Station.
Ich hatte einen Therapie-Pass bekommen, in dem ich mir meine Therapien selbst aussuchen durfte. Neben Einzelgesprächen mit der Stations-Psychologing gab es Ergotherapie, Sport, Musiktherapie und Ausflüge. Zusätzlich gab es noch Oberarztvisiten, Pflegevisite, Abendrunden, Bezugs-Pflege-Gespräche, zwei Mal täglich Blutdruck messen und das therapeutische Frühstück.
Du fragst dich sicher, was das alles ist!
Bezugs-Pflege-Gespräche führt man mit seinem Bezugs-Pfleger. Wenn du reden möchtest oder ein Anliegen hast, kannst du dich an deinen Bezugs-Pfleger wenden, sodass du sozusagen nur eine Bezugsperson hast. Dadurch ist es auch leichter für die Pflege, mit Informationen usw umzugehen, weil ein Bezugs-Pfleger über seine Patienten immer genau Bescheid weiß. Du kannst über alles mit ihm reden, egal ob es Ängste sind, Schlafprobleme, ob etwas vorgefallen ist oder ob du nachfragst, was du alles ändern und unternehmen kannst. Meine Bezugs-Pflegerin auf dieser Station war sehr nett, ich kam wirklich gut mit ihr zurecht. Wir haben uns beispielsweise oft über Skills unterhalten, sie hat mir eine Therapeuten-Liste gegeben und mir geholfen, meinen Tag zu strukturieren.
Der Blutdruck wurde ein Mal morgens bei der Tabletten-Ausgabe und ein Mal nach der Abendrunde gemessen.
Die Abendrunde war auf dieser Station immer nach dem Abendessen um 18:15 Uhr. Dazu setzten sich alle Patienten mit einem Pfleger in einen kreis und berichteten von ihrem tag. Oft konnte ich nicht mitreden, weil ich ja gar keine Suchtproblematik hatte.
In den Pflege- und den Oberarztvisiten ging es immer um das emotionale und körperliche Befinden, um Medikamentenumstellungen oder -dosierungen und um die Zukunftsplanung, zum Beispiel den Entlasstermin oder anschließende Therapien.
​
Jetzt zu den Therapien an sich:
Ergotherapie. auch Werken genannt. Hier kann man alles machen, was man möchte, ohne Vorgaben. Du kannst etwas zeichnen, etwas aus Holz bauen, nähen, stricken, etwas in Holz einbrennen, Seidenmalerei, du kannst T-Shirts und Jute-beutel gestalten, Paracord-Armbänder machen, dich an String-Art und Hand Lettering versuchen. Du kannst mit Kreide zeichnen, mit Wasserfarben
malen. Du kannst machen, was du willst! Und das beste ist, keiner beurteilt oder wertet das, was du tust. Du machst das nur für dich allein!
​
​
​
​
​
​
​
​
Sport. Beim Sport konnte man Krafttraining, Ausdauertraining oder verschiedene Sportarten wie Badminton oder Volleyball ausüben.
Bewegung hilft bei Depressionen: du machst deinen Kopf frei und gleichzeitig tust du was gutes für deinen Körper. Beim Stationssport wurde Spaß ganz groß geschrieben. Wir haben Mattenrutschen, Völker- oder Brennball gespielt. Man mag es nicht glauben, aber es ist einfach geil für eine kurze Zeit nochmal Kind sein zu dürfen! :)
Ich persönlich hatte viel mit Aggressionen und Wut zu tun, nicht gegenüber anderen Menschen, sondern mir selbst gegenüber. Beim Sport konnte ich mich abreagieren, und wenn ich nur einen Gymnastik-Ball durch die Halle getreten habe: es hat geholfen!
​
Musiktherapie. In der Musiktherapie kannst du dir aussuchen, was du machen möchtest. Es standen jede Menge Instrumente zur Verfügung, wie zum Beispiel ein Klavier, Rasseln, Gitarren, Schlagzeuge, Trommeln jeglicher Art. Eigentlich gab es alles, was du dir so vorstellen kannst.
Ich hatte in Gruppen Musiktherapie. Man konnte am Anfang der Stunde Vorschläge und Wünsche äußern, was man machen wollte. Mann konnte Musik hören, singen, selbst improvisieren, Stücke einüben, Gefühle in Klängen ausdrücken oder ein Instrument lernen. Man brauchte keinerlei Vorkenntnisse, um bei dieser Therapie teilzunehmen. Und auch hier wurde niemand nach seinem Können beurteilt.
2 1/2 Wochen später
Endlich! Ich wurde auf eine Allgemeinpsychiatrische Station verlegt. Mit dem Mädchen, mit dem ich mich so gut verstehe, zusammen. Grüße gehen raus an unsere Ärztin! Dank ihr ist eine wunderschöne Freundschaft entstanden.
Hier sah mein Tag ganz anders aus als oben auf der Sucht-Station.
07:30 Uhr Frühstück, 08:35 Uhr Morgenrunde, Therapien, 12:30 Uhr Mittagessen, Therapien, 17:30 Uhr Abendessen, 18:45 Uhr Abendrunde.
In der Morgenrunde wurden Therapien vorgelesen, die an dem Tag stattfanden, man konnte Bezugs-Pflege- oder Arzt-Gespräche anmelden und Therapien absagen.
Meine neuen Zimmernachbarinnen waren sehr nett. Und ich hatte wirklich wieder einmal Glück mit meiner Bezugs-Pflege! Aber auch die anderen Pflegekräfte waren (meistens) nett.
Ich hatte jetzt jede Menge neue Therapien: Entspannung, Orientierungsgruppe, Psychoedukation Depression, GSK, themenzentrierte Gruppe, Massagen und kognitives Training am PC. Das alles hat mich ziemlich überrollt..
Meine Tage waren ziemlich engmaschig strukturiert. Hier mal mein Wochenplan:
​
​
​

Es gab so unendlich viele neue Regeln und so viel zu beachten. Es war alles viel strenger als oben. Ich bekam einen kleinen, grünen Ordner, in dem meine Therapien, Stationsregeln und Therapienachweise abgeheftet waren. Man musste jede Therapie, an der man teilgenommen hat, unterschreiben lassen. So ein Therapienachweis war eine Excel-Tabelle, er war immer für einen Monat gültig.
Komen wir mal zu den Regeln:
1. Die Teilnahme an den Therapien, Visiten und Mahlzeiten ist verpflichtend. In begründeten Ausnahmefällen ist eine Befreiung möglich. In der Morgenrunde kann man das dann beantragen. Ob es genehmigt wurde, musste ich im Stationszimmer (Aquarium) nachfragen.
2. Immer und überall Ordnung halten.
3. Stationsdienste übernehmen. Es gibt einen Küchen- und einen Ordnungsdienst. Der Küchendienst baut das Buffet auf und ab (morgens und abends) und der Ordungsdienst wischt über die Tische und füllt die Servietten-Spender auf.
4. Rauchen nur im Innenhof und im Garten.
5. Kein Alkohol, keine Drogen und keine eigenen Medikamente während der Therapie.
6. Keine Gewalt.
7. Keine intimen Beziehungen.
8. Laptop und Tablet dürfen nur im Aufenthaltsraum und nur zu den Fernsehzeiten genutzt werden.
9. Regelverstöße und therapieschädigendes Verhalten können zu einer Verwarnung / gelben Karte führen.
10. Die Teilnahme am Straßenverkehr ist nicht gestattet.
11. Keine Fotos oder Videos machen.
12. Keine Tassen von Station mitnehmen.
​
Ausgänge:
Am Aufnahmetag darf die Station nicht verlassen werden. Grundsätzlich ist immer Ausgang, es sei denn man befindet sich in einer akuten Krise.
In der therapie-freien Zeit hat man zu folgenden Zeiten Ausgang:
sonntags-donnerstags bis 22.00 Uhr
freitags, samstags und vor Feiertagen bis 23.00 Uhr
Man muss sich immer in ein Ausgangsbuch eintragen und das Pflegepersonal über die Rückkehr informieren.
​
Besuchszeiten:
Außerhalb der Therapien und Mahlzeiten ist Besuch bis 20.00 Uhr gestattet. kein Besuch auf den Zimmern.
​
Nachtruhe:
sonntags-donnerstags ab 23.00 Uhr
freitags, samstags und vor Feiertagen ab 24.00 Uhr
​
Fernsehen:
montags-donnerstags von 19.00-23.00 Uhr
freitags von 19.00-24.00 Uhr
samstags von 10.00-24.00 Uhr
sonntags von 10.00-23.00 Uhr
vor Feiertagen bis 24.00 Uhr
​
Schlüssel:
Am Aufnahmetag erhält man einen Zimmerschlüssel, einen schrank- und einen Safe-Schlüssel. Wertsachen und Kleidung müssen immer eingeschlossen sein, es wird keine Haftung übernommen.
​
Beurlaubungsregeln:
BLT = Belastungstraining, in der eigenen Wohnung übernachten. In der Woche kann man ab 16.00 Uhr ins BLT gehen und muss am nächsten Morgen um 08.00 Uhr wieder anwesend sein. Freitags kann man ab 14.00 Uhr ins BLT gehen und muss nach 23 Stunden wieder auf Station sein. Ein BLT muss spätestens um 20.00 Uhr beginnen. Medikamente bekommt man von der Pflege gestellt.
TU = Tagesurlaub, kann nur am Wochenende oder an Feiertagen genehmigt werden. Man kann nach dem Frühstück gehen und muss freitags, samstags und vor Feiertagen um 23.00 Uhr und sonntags um 22.00 Uhr zurück sein.
ME = Mittagessen-Befreiung; AE = Abendessen-Befreiung, kann ein Mal in der Woche (montags bis donnerstags) und mehrmals am Wochenende beantragt werden.
​
Oh Gott. Sich das alles zu merken, schien mir unmöglich. Aber ich konnte ja alles nachlesen.
Jetzt zu den neuen Therapien....
GSK, Gruppentraining sozialer Kompetenzen. Hier lernt man, sein Recht durchzusetzen, sein Recht in Beziehungen durchzusetzen und wie man Sympathie gewinnt.
In der Orientierungsgruppe hat man sich mit Angelegenheiten aus dem alltäglichen Bereich auseinandergesetzt.
Ziel der Stabilisierungsgruppe sind die Stärkung des Selbstbewusstseins, Identifikation persönlicher Bedürfnisse und Anregungen zur Krisenbewältigung.
Psychoedukation hat über die verschiedenen Krankheitsbilder aufgeklärt.
Kognitives Training war dazu da, die Konzentration zu stärken und Lernmethoden zu erkennen.
In der Entspannungsgruppe wurde mit progressiver Muskelentspannung nach Jakobson gearbeitet.
Und was zur Hölle sind Zielplanvisiten und Gruppenvisiten?
In meinem grünen Ordner war ein Zettel mit der Überschrift "Wochenziele" abgeheftet. Hier sollte man jede Woche ein Wochenziel formulieren und das in der Zielplanvisite besprechen. Außerdem hatte man die Gelegenheit, vom Wochenende zu erzählen was geklappt hat, oder was nicht geklappt hat. Die Zielplanvisite war immer montags, dabei waren zwei Leute vom Pflegepersonal und eine Ärztin.
Die Gruppenvisite fand freitags statt. Hier waren immer alle Patienten im Tagesraum, sie saßen an fünf Tischen verteilt. Dann wurden als erstes die Stations-Dienste eingeteilt. Dann hat sich entweder ein Pfleger oder eine Ärztin an jeweils einen Tisch gesetzt und man sollte dann erzählen, wie die Woche so war.
Also alles in allem, ziiieeemlich komplex. Aber ich muss sagen, ich habe in den verschiedenen Therapien wirklich viel lernen können. Anfangs habe ich drüber gelacht, fand vieles lächerlich und dachte, sowas würde mir nicht helfen. Pustekuchen, es hat wirklich geholfen. Man muss sich nur drauf einlassen. Und mit den richtigen Leuten macht's auch noch Spaß!
​
​
​
hoch und runter
So toll wie sich das anhört, ist es nicht immer. Natürlich helfen die Therapien, aber es gibt auch genug Tage, an denen du in ein Loch fällst. Bei mir war es oft so, dass diese sogenannten Tiefs nach Einzelgesprächen mit Psychologen oder Ärzten vorkamen. Natürlich haben äußere Umstände ebenfalls großen Einfluss.
Aber wie fühlt sich das an?
Während dem stationären Aufenthalt beschäftigst du dich sehr intensiv mit dir selbst. Natürlich erzählen dir deine Mitpatienten, wieso sie da sind, was sie beschäftigt und sowas und natürlich versuchst du ihnen zu helfen. ABER: Du darfst dich davon nicht runterziehen lassen. Du musst lernen, dich abzugrenzen und stop zu sagen, wenn's dir nicht gut tut. Das nur nebenbei.
Wie schon gesagt, du beschäftigst dich sehr intensiv mit dir selbst. Du erkennst vieles, du stellst dich vielleicht in Frage, du stehst nicht hinter dir und du kannst dich in dem Moment überhaupt nicht ausstehen. Wie soll man damit bitte umgehen? Das erschien mir in solchen Situationen einfach unmöglich.
Da kommen die Bezugs-Pflege-Gespräche zum Einsatz: Du bekommst Tipps, wie zum Beispiel Skills, du kannst dich einfach mal ausheulen. Und oft ist es so, dass deine Situation objektiv gesehen lösen lässt. Aber das siehst du in solchen Momenten einfach nicht, da ist es umso wichtiger jemanden zu haben, der dir Rat geben kann.
eine andere Möglichkeit ist die Bedarfsmedikation. Wenn du unruhig bist, deine Gedanken kreisen und du dir nicht anders helfen kannst, kannst du auf deine Bedarfsmedikation zurückgreifen. Ich hatte Tavor und Dominal im Bedarf, das hat mir immer sehr gut geholfen. Wichtig hierbei ist aber, dass du nicht jedes Mal auf den Bedarf zurück greifst, nur in äußersten Notfällen und wenn es garnicht anders geht! Probier lieber erst andere Dinge aus, die dich ablenken können.
Was sind Skills überhaupt? Wovon redet sie?
Wenn dich das interessiert, kannst du ja mal meinen nächsten Blog-Beitrag auf der Startseite abchecken. Da stelle ich meine eigene Skillssammlung vor und erkläre, wozu das alles gut ist.
Stay tuned! :)
​
Hallo Hermann!
Neue Therapie, neue Station, neue Leute, alles neu. DBT, PTBS, Trauma, wtf was ist das alles?
Irgendwie habe ich mich anfangs erschlagen gefühlt. Ich war jetzt zwei Monate zu Hause, so wirklich Lust hab ich ja nicht, wieder in die Psychiatrie zu gehen.. Aber gut, wer die Chance hat, sollte sie auch nutzen!
Meine größten Ängste waren eigentlich die Angst vor der neuen Therapie und vor den neuen Leuten. Ich hatte von vielen gehört, dass auf dieser Station immer Krieg wäre. Da hatte ich gar keinen Bock drauf. Und ich hatte Angst, dass ich mich mit meinen Zimmernachbarinnen nicht verstehe.
Aber alles easy! Ich wurde echt gut aufgenommen. Der Altersdurchschnitt liegt so bei 20-25.
Aber jetzt mal zur Therapie:
DBT bedeutet Dialektisch Behavioristische Therapie, also Verhaltenstherapie. Das ist der große Unterschied zur Station, wo ich vorher war, dort wurde man nur stabilisiert, hier geht's richtig ran. Neben vielen Einzelgesprächen, Bezugspflegegesprächen und Gruppentherapien muss man hier Spannungsbögen, Ess-Protokolle, Wochenstrukturpläne und Diary-Cards führen. Man bekommt Hausaufgaben in den einzelnen Therapien, die man bearbeiten muss, ich habe ein dickes Patienten-Manual bekommen und und und.
Wir sind eingeteilt in zwei Gruppen: DBT I und DBT II. Das sind die Bezugsgruppen. Mit der Bezugsgruppe trifft man sich montags und freitags um Wochenziele festzulegen, neue Skills und Achtsamkeitsübungen vorzustellen und über allgemeine Themen zu reden. Das ist eine reine Patientengruppe, ohne Pfleger oder Arzt, das soll denk ich die Selbsthilfe stärken, und das klappt sogar ganz gut.
In der Skillsgruppe lernt man Skills, mit Gefühlen umgehen, wie man negative Gefühle abschwächen kann, verschiedene Methoden zur Krisenbewältigung bzw -vorbeugung. Die ist zwei mal wöchentlich mit einer Psychologin und unserer Ergotherapeutin.
Stresstoleranz befasst sich mit Hochspannungsskills. Was ist bitte Hochspannung?
Ich muss täglich Spannungsbögen führen. Alle drei Stunden muss ich dort meine Anspannung in ein Schaubild eintragen. Die Anspannung ist ist drei Bereiche aufgeteilt:
0%-30%: niedrige Anspannung (normaler Zustand)
30%-70%. mittlere Anspannung
70%-100%: Hochspannung (sehr hohe Spannung, man bekommt kaum noch was von der normalen Welt mit).
Sobald man sich in dieser Hochspannung befindet, kann man dann diese sogenannten Hochspannungsskills anwenden, die man in der Stresstolernz-Gruppe lernt.
Ich kann beispielsweise noch nicht besonders gut mit Hochspannung umgehen. Wenn es dann zu dysfunktionalem Verhalten kommt, muss man eine Verhaltensanalyse schreiben. Da befasst man sich ausschließlich mit dem Problemverhalten, was man gezeigt hat. Diese VA muss man dann mit seiner Bezugsgruppe vorbesprechen und später mit seinem Therapeuten analysieren.
In der Skillswerkstatt kann man eigene Skills kreieren und bauen.
In der Wochenend-Vorbereitungs-Gruppe bespricht man, was man am Wochenende so vor hat und an welchen Mahlzeiten man teilnehmen möchte (außer sonntags das Abendessen, das ist Pflicht für alle).
In der Zielplankonferenz, die man alle zwei Wochen hat, werden Therapieziele festgelegt. Das macht man mit seinem Bezugspfleger und seinem Therapeuten.
Qi Gong habe ich montags und freitags. Qi-Gong gilt in China als eines der vier großen Teilgebiete der Medizin. Die Wurzeln des Qi-Gong sind geistig-körperliche Übungen, die auf die taoistisch-buddhistische Praxis zurückgehen. Qi-Gong besteht aus einer Reihe von einfachen Körperstellungen, die, verbunden mit Atemübungen, den Energiefluß im Körper harmonisieren und damit einen energiereichen und gesunden Zustand herbeiführen. Qi Gong ist verwandt mit dem anspruchsvolleren Tai-Chi. Qi-Gong geht davon aus, daß es durch Streß im täglichen Leben zu Stauungen im Kreislauf der Energien kommen kann. Das Qi-Gong-Training soll den Energiefluß wieder in Schwung bringen. Ein Qi-Gong-Lehrer beschreibt das folgendermaßen: "Jede im Qi-Gong eingeübte Stellung beeinflußt bestimmte Aspekte der Lebensenergie, die alles durchfließt, und uns mit dem Kosmos verbindet".
In der freien Arbeitszeit kann man seine Hausaufgaben machen oder skillen.
Dann hat man noch das Training der zwischenmenschlichen Fertigkeiten, das ist im Prinzip das selbe wie GSK auf der allgemeinpsychiatrischen Station.
In der Basisgruppe werden Essstörungen, Sucht, Borderline usw durchgenommen.
In Psychoedukation Trauma werden allgemeine Informationen über Traumata und posttraumatische Belastungsstörungen besprochen.
Ergo-, Musik- und Sporttherapie sind aber das selbe, wie auf einer allgemeinpsychiatrischen Station.
Freitags gibts den Abschlusskaffee. Hier werden neue Dienste für die kommende Woche verteilt, wie zum Beispiel Frühstücks-Dienst, Hof-Dienst oder Backgruppe. Dann wird das Kulturprogramm fürs Wochenende vorgestellt und wir essen Kuchen. Dann ab ins Wochenende! :)
Je nach dem was man für Ziele in der Therapie hat, kann man einzelne zusätzliche Manuale durcharbeiten, wie zum Beispiel 'Nein sagen' oder 'Frieden schließen mit dem eigenen Körper'. Das waren jetzt nur zwei Beispiele, da gibt es bestimmt 20 Bücher von. Die kann man sich dann hier ausleihen und durcharbeiten und später dann mit seinem Therapeuten besprechen.
Man beschäftigt sich also hauptsächlich mit sich und auch oft alleine. Wie gesagt, die Selbsthilfe soll aktiviert und gefördert werden. Man will ja nicht sein ganzes Leben von einer stationären, psychiatrischen Behandlung abhängig sein. Das Leben geht irgendwie weiter!
Ich bin jetzt zwei Wochen auf Station und ich muss ehrlich sagen, ich habe schon mehr mitgenommen und lernen können, als auf der Station, wo ich vorher drei Monate lang war. Ich meine klar, hier ist der Therapieplan auch sehr stramm und man beschäftigt sich ausschließlich mit seinen Problemen, aber das hätte ich echt nicht erwartet.
Naja, lassen wir mal etwas Zeit vergehen. Ich werde dann nochmal berichten! :)